“Tschüss, Stress! Hallo, Schwerelosigkeit!” sagte sich unsere Autorin Ariane und testete für uns das urbane Spa “Liquidrom” mitten in der Haupstadt Berlin.
Schon viel habe ich vom Liquidrom gehört, heute will ich endlich rein. Es ist Dienstagnachmittag, kurz nach 17 Uhr, draußen ist es schon dunkel und zudem bestes Berliner Januarwetter. Die Anhalter-Bahnhof-Ruine im Rücken, stehen wir vor dem Tempodrom, jenem berühmten Veranstaltungsort mit dem markanten weiß gezackten Dach, das an einen Wanderzirkus erinnert – und damit an die bewegte Geschichte des Tempodroms. Die begann 1980 tatsächlich als Zirkuszelt, sie aber hier zu erzählen, würde zu weit führen. (Wen es interessiert: Demnächst soll ein Buch erscheinen, in dem die Gründerin des Tempodroms auf diese Zeit zurückblickt.)
Wir halten uns links und laufen auf der Möckernstraße ein paar Meter am Gebäude entlang. Schon sehen wir den Eingang: „Liquidrom – urbane Badekultur“.
Der Eingangsbereich wirkt in seinen dunklen Tönen und der dezenten Beleuchtung eher wie eine Hotellobby. Am Empfang bekommen mein Begleiter und ich einen riesigen weißen Frotteestapel überreicht, bestehend aus vier großen Badetüchern, zwei Bademänteln und zwei Paar Frotteeschlappen. Ferner zwei Schlüssel-Armbänder für die Schließfächer und einen kleinen gelben Plastik-Chip, der sowohl die im Haus verbrachte Zeit misst als auch an der Bar konsumierte Getränke und Speisen registriert. Den Geldbeutel kann man also getrost im Spint lassen, bezahlt wird erst bei Verlassen des Gebäudes.
Mein Begleiter und ich teilen uns auf die geschlechterspezifischen Umkleide-Bereiche auf. Was sich kurz darauf als eher symbolischer Akt erweist, denn als neben meinem Schließfach ein nackter Mann vorbeiläuft, merke ich, dass Frauen- und Männer-Umkleidebereiche nahtlos ineinander übergehen. Spätestens nach dem Duschen in der Übergangszone zwischen Umkleide- und eigentlichem Bade- und Sauna-Bereich mischt sich hier ohnehin alles.
Eingehüllt in den großen Bademantel, an den Füßen die bereits vollständig durchweichten
Frotteeschlappen, deponiere ich mein Zweithandtuch in einem der Körbe, die extra dafür in Regalfächern aufgestellt sind, und halte nach meinem Begleiter Ausschau. Eine minimalistische Architektur aus Granit, Glas und Beton schafft eine eher kühle Atmosphäre, die aber durch angenehme Beleuchtung trotzdem nicht kalt wirkt. Gerade als ich mich frage, ob mein Begleiter vielleicht schon in eine der Saunas abgedampft ist, taucht er in Schlappen und Badehose auf, das viele Frotteezeug über den Arm gehängt. Zusammen gehen wir erst einmal in das von vielen als „Highlight“ gerühmte Salzwasser-Pool.
Wir betreten eine abgedunkelte Kuppelhalle mit rundem Becken, das mit warmem Salzwasser gefüllt ist. Ein paar Leute treiben rücklings auf dem Wasser, manche haben die Augen geschlossen. Eine Ruhe durchflutet den Raum, die sich sofort auf den eigenen Körper überträgt. Am Rand liegen so genannte „Schwimmnudeln“, mit deren Hilfe man vollkommen entspannt auf dem Wasser liegen kann. Das Solebad ist absolute Ruhezone, Reden oder Plantschen ist hier nicht erlaubt. Wir schnappen uns jeder zwei Schwimmnudeln und legen uns zu den anderen ins Wasser. Ganz leise dringt unter Wasser dezente elektronische Musik ins Ohr. Ich schließe die Augen und lasse mich treiben. Nach einer Weile spüre ich irgendetwas an meinem Fuß: Aha, ein Mit-Floater. Bevor sich unsere Schwimmnudeln ineinander verhaken, paddele ich mit den Händen ein Stückchen weiter, hin zur Mitte des Beckens. Das runde Fenster über mir in der Kuppeldecke soll den Blick auf den Nachthimmel freigeben. Ich kann davon nichts sehen. Zu viele Reflektionen im Glas. Grund dafür sind die farbigen Lichtspiele, die über dem Wasserspiegel tanzen. Tagsüber und auch bei Vollmond funktioniert das mit dem Blick in den Himmel sicher besser.
Nach ca. 20 sehr entspannenden Minuten der Schwerelosigkeit im warmen Salzwasser wollen wir in die Sauna. Wir duschen uns kurz ab, entledigen uns der Badeklamotten – während man im Pool Badebekleidung tragen muss, herrscht in den verschiedenen Saunas die Vorschrift „textilfrei“–, schlüpfen in die Bademäntel und flanieren an den Liegestühlen vorbei zum Saunabereich. Dort hängen wir unsere Bademäntel an die Haken, parken die (ganz ehrlich: überflüssigen) Frotteeschlappen darunter und gehen zuerst in die Himalayasalz-Sauna.
In dem winzigen Raum herrscht eine beinahe religiöse Atmosphäre. Ein älterer Mann sitzt im Schneidersitz auf seinem Handtuch und scheint zu meditieren. Eine junge Frau sitzt schräg unter ihm, die Beine übereinander geschlagen. Beide starren an die Wand aus von hinten beleuchteten Salzkristall-Ziegeln. Mein Begleiter und ich tun es ihnen nach. Vier Menschen, eine in warmen Orangetönen leuchtende Wand aus Salz, viel Holz und viel Hitze und dazu eine Stille, die nicht einmal von Atemgeräuschen, geschweigedenn von Schnauben, Räuspern oder Husten unterbrochen wird.
Etwas anders geht es in der 80°-Sauna nebenan zu, die wir nach einer kalten Dusche besuchen. Zwei Mädchen erzählen sich kichernd und quietschend ihr Wochenende, während sie sich mit Honig aus kleinen Tigeln einreiben. „Wo bekommt man die?“, will ich wissen. „In der Finnischen Sauna.“ Dort gibt es außerdem zu jeder vollen Stunde spezielle Aufgüsse, die man dem Aufgussplan entnehmen kann.
Von allen Saunas gefällt mir das Dampfbad am besten. Hier ist es ziemlich dunkel, wahnsinnig heiß, und alles verschwindet in einem dichten Nebel. Man sieht kaum die eigene Hand vor Augen, und wer auch immer neu hier reinkommt, wird sofort vom Raum ‚verschluckt’… spooky! Hier könnte man super einen Tatort drehen!
Nach ausgiebigem Hin- und Her zwischen Schwitzen und Kaltduschen ziehen wir unsere Bademäntel über, holen uns an der Bar ein Mineralwasser und eine Brause – es gibt auch Kleinigkeiten zu essen wie etwa belegte Bagels oder diverse Smoothies, alles zu erschwinglichen Preisen – und gehen zu den Liegestühlen. Jetzt erst mal eine Runde chillen, schließlich strengt so viel Entspannung auch an. Mit Blick durch die Glaswand auf den japanisch angehauchten Außenbereich mit beleuchtetem Onsen-Becken, weiteren Liegestühlen und einer Treppe, die zu einer kleinen Empore mit Raucherzone führt, genießen wir unsere Getränke. Auf dem Liegestuhl neben mir liegen herrenlos ein aufgeschlagenes Fachbuch und ein Bleistift, eins weiter hat eine Frau sich in eine der Decken gehüllt, die auf jedem Liegestuhl ausliegen, und scheint zu schlafen. Nach einer Weile startet mein Begleiter zur zweiten Floating-Runde, und ich gehe kurz darauf noch einmal in den heißen Dampf.
Wellness im Liquidrom ist eine absolut empfehlenswerte Art, mal komplett aus dem Alltag ab- und in eine entspannte Parallelwelt einzutauchen. Man kommt zur Ruhe und zu sich selbst und beides in angenehmer Gesellschaft, die offenbar auch nichts anderes will. Ich hätte nicht gedacht, dass Entspannen ‚auf Knopfdruck’ (soll heißen: in einem festgelegten Zeitraum an einem bestimmten Ort) tatsächlich so gut funktioniert. Meine Tipps: Handtücher und Bademantel selbst mitbringen und auf die ohnehin lästigen Frottee-Schlappen verzichten. So spart man pro Person 12,40 Euro. Zwei Stunden Aufenthalt sind ein wenig knapp, vier dagegen optimal – die fünf Euro mehr lohnen sich absolut! Wer es tagsüber schafft, sollte tagsüber gehen, denn ab ca. 18:30 Uhr haben wir an einem gewöhnlichen Dienstag einen deutlichen Publikums-Zuwachs bemerkt. Gedränge gab es aber trotzdem nirgends. Unbedingt mitmachen: einen der Aufgüsse in der Finnischen Sauna! Und wichtig am Schluss: Beim Ankleiden nicht vergessen, den Chip wieder aus dem Schlüssel-Armband zu ziehen und mit nach vorne zu nehmen, zum Abbuchen am Empfang. (Passiert leicht! Es sei denn, man hat einen aufmerksamen Begleiter dabei, der einen daran erinnert.)
Der Besuch im Liquidrom lässt sich auch ideal mit einer der Hop-On-Hop-Off-Touren der Berliner Stadtrundfahrt verbinden. Einfach an der Haltestelle Checkpoint Charlie aussteigen und wenige Meter bis zum Spa laufen. Später können Sie jederzeit wieder an einer der Haltestellen einsteigen und die Tour fortsetzen.